"Für junge Talente ist Mentoring extrem wertvoll."

Caroline Rush, CEO des British Fashion Council (BFC), Nicholas Atteshils, Brand Partnerships Lead für Zalando Designer und Esther Knight, Gründerin des Labels Fanfare, sprechen über das BFC Mentorenprogramm und ihre Erfahrungen in der Modeindustrie.

1. Februar 2023
Marken & Handelspartner

Mentoring wird in der Modebranche immer wichtiger - sowohl für Start-Ups als auch für etablierte Unternehmen. Die Hilfe eines Experten, der sich in der Branche auskennt, kann für Erfolg und Wachstum entscheidend sein. Das Mentorenprogramm des British Fashion Council (BFC) dient genau diesem Zweck. Es wurde Ende 2020 ins Leben gerufen, als die Branche in unsicheren Zeiten mehr denn je auf Mentoren angewiesen war. Ziel des Programms ist es, talentierte Designer in allen Phasen ihrer Unternehmenstätigkeit zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Modeindustrie für jeden zugänglich bleibt.

Caroline Rush CBE, Geschäftsführerin des BFC und eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Branche, sprach mit uns über die Bedeutung von Mentoring, was sie von ihrer eigenen Mentorin gelernt hat und wie der BFC eine neue Generation von Designern unterstützt. Wir sprachen auch mit Nicholas Atteshlis, unserem Brand Partnerships Lead für Zalando Designer. Seit einem Jahr ist er aktiver Mentor innerhalb des Programms und arbeitet mit aufstrebenden Designern zusammen. Eine von ihnen ist Esther Knight, Gründerin des Labels Fanfare, die mit uns über ihre wichtigsten Erkenntnisse aus dem Mentorenprogramm sprach.

Caroline Rush CBE, British Fashion Council

Caroline Rush

Sie haben für Annette Worsley-Taylor gearbeitet, die als Gründerin der britischen Mode gilt. Was haben Sie von ihr gelernt?

Für Annette zu arbeiten war von unermesslicher Bedeutung, nicht nur, weil sie der Gründergeist des BFC ist, sondern auch wegen ihres Charakters, ihres Witzes und ihrer charmanten Art, die mir während meiner Karriere als Vorbild dienten. Ihre Fähigkeit, Ausstellungen, Catwalk Shows und Designer Kollektionen zu kuratieren, bilden heute die Grundpfeiler des BFC. Sie schlug eine Brücke zwischen Privatem und Öffentlichem, indem sie Beziehungen zu Margaret Thatcher aufbaute, um zum ersten Mal offizielle Regierungsgelder zu erhalten, und erhielt 2002 einen MBE für ihre Verdienste in der britischen Modewelt. Ihre klare Vision und ihr unermüdliches Eintreten für britisches Design haben den Test der Zeit bestanden, und es ist wirklich eine Ehre, mit ihr zusammengearbeitet zu haben und ihr Erbe heute fortzuführen.

Da Annette eine so prägende Figur in Ihrem Berufsleben war, welche Rolle spielt das Mentoring in Ihrer täglichen Arbeit?

Im Laufe der Jahre habe ich miterlebt, wie sich einige der besten Talente zu globalen, hochwertigen Modemarken entwickelt haben, und es ist eine sehr bereichernde Aufgabe, diese Talente auf ihrem Weg zu begleiten. Es gibt so viele aufregende Aspekte in meinem Job. Am meisten befriedigt mich die Tatsache, dass ich einem talentierten Designer zu seinem Erfolg verhelfen kann, indem ich ihn mit einem Netzwerk von Kontakten in zusammen bringe, die sich für ihn einsetzen werden. Es ist eine schwierige Zeit für Berufsanfänger, und meine Aufgabe als Geschäftsführerin des British Fashion Council besteht darin, Branchenexperten zusammenzubringen, um Wissen auszutauschen, Ratschläge zu erteilen, Tools zu entwickeln und diese mit der Branche zu teilen.

Warum hat der BFC das Mentoring-Programm ins Leben gerufen? Wie funktioniert es, und was sind die am meisten gefragten Bereiche der Unterstützung für die neue Generation von Kreativen in der Modeindustrie?

Nachwuchstalente sind die Zukunft und ein Beweis dafür, wie kreativ diese Branche sein kann. Für junge Talente, die ihre Karriere beginnen, ist Mentoring extrem wertvoll. Über die BFC Foundation konzentrieren wir uns auf die Unterstützung unserer Designer durch Mentoring-Programme, um ihnen beim Aufbau ihrer Netzwerke und ihres Fachwissens zu helfen, das am Ende oft der globalen Modeindustrie zugute kommt. Fundraising und Diversifizierung der Einnahmen stehen auch ganz oben auf der Agenda. Die Vergabe von Stipendien ist für junge Designer besonders wichtig, insbesondere in den aktuell wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen wir uns befinden. Im Geschäftsjahr 2021/2022 hat der BFC mehr als 1,3 Millionen Pfund an Designer und Stipendiaten überwiesen. Die BFC Foundation zahlte 932.500 Pfund als Teil der BFC-Förderinitiativen, einschließlich Stipendien und Talentförderprogrammen.

Wie sehen Sie die Aufnahme von Neulingen in der Branche, und wie werden sie durch die Höhen und Tiefen geführt?

Die BFC Foundation bietet Bachelor- und Master-Stipendien für Studenten sowie Verbindungen zur Industrie durch Designwettbewerbe, Workshops, Meisterklassen und Networking-Veranstaltungen. Branchen Neulinge werden auch durch unsere zahlreichen Initiativen zur Talentförderung unterstützt. Diese bietet Designern finanzielle Unterstützung, Präsentationsmöglichkeiten und Mentoring, um wichtige Fähigkeiten zu entwickeln, die ihr Unternehmen für die Zukunft sicher macht.

Welche Werte, Ideen und Fähigkeiten bringt die nächste Generation Ihrer Meinung nach bereits in die Branche ein?

Im Moment bin ich besonders beeindruckt davon, wie diese Generation Nachhaltigkeit und Digitalisierung in den Mittelpunkt stellt. Das ist etwas, worüber wir als Branche in den letzten Jahren gesprochen haben, aber diese Generation von Designern lebt und atmet es. Sie haben auch proaktiv Schritte unternommen, um zu lernen, wie man ein Unternehmen aufbaut und nicht nur Kleidung entwirft, und bauen daher beeindruckende Unternehmen auf, die eine lange Lebensdauer haben.

Was raten Sie ehrgeizigen Talenten in der Modeindustrie, die einen positiven Wandel herbeiführen wollen?

Das unglaubliche Talent und der Ehrgeiz unserer jungen Designer sind es, die den branchenweiten Wandel vorantreiben und kulturelle Funken sprühen lassen. Ich würde jungen Talenten raten, sich so viel wie möglich zu engagieren und alle möglichen Wege an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen zu erkunden. Es ist von entscheidender Bedeutung, sich das digitale Format zu eigen zu machen, um die Mode transparenter und für alle zugänglich zu machen. Aufstrebende Designer, die neue Unternehmen aufbauen, müssen auch verstehen, wie wichtig es ist, sich auf kleinere Kollektionen und Kernprodukte zu konzentrieren, Textilabfälle zu vermeiden und mit Qualitätsprodukten authentische Momente zu schaffen.

Biografie:
Caroline Rush ist die Geschäftsführerin des British Fashion Council. Obwohl sie zunächst ein Kunststudium absolvierte, begann Rush ihre Karriere in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing in den frühen 90er Jahren, nachdem sie von Annette Worsley-Taylor Associates eingestellt wurde, wo ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem British Fashion Council begann. Anschließend leitete sie fünf Jahre lang ihre eigene PR-Firma, die die Pressestelle des BFC betreute, bevor sie 2009 offiziell als Chief Executive zum British Fashion Council kam. Seit ihrer Ernennung hat Rush das Netzwerk und die Plattformen gestärkt, um Unternehmen mit einem breiten globalen Publikum zu verbinden.

Esther Knight, Fanfare

Esther Knight

Sie haben Ihre Karriere als Einkäuferin begonnen und für Vivienne Westwood gearbeitet. Was haben Sie dort gelernt?

Vivienne Westwood hat die Modeindustrie wirklich zum Besseren beeinflusst. Sie war authentisch, sprach mir aus dem Herzen, und ihre Handlungen spiegelten ihre Werte wider. Nicht viele Menschen können sagen, dass sie für ihr Idol arbeiten durften, aber ich kann es. Ich habe mich für diese Stelle entschieden, weil ich für ein Unternehmen arbeiten wollte, das meine Werte widerspiegelt, und dort zu arbeiten war ein Privileg. Jede Abteilung überprüfte ihre Aktivitäten anhand von Nachhaltigkeitsziele. Es war klar, dass sich das Unternehmen auf das Triple Bottom Prinzip konzentriert: Profit, Mensch und Planet. Das war unglaublich aufschlussreich, den Abteilungsleitern dabei zuzusehen, wie sie die Optionen zur Streichung der meistverkauften Produkte aufgrund ihrer Umweltauswirkungen abwogen. Das hat mir geholfen, die schwierigen Entscheidungen zu überdenken, die man treffen muss, wenn man nachhaltig arbeiten möchte.

Nach mehr als zehn Jahren Erfahrung in der Modebranche haben Sie Ihr Label Fanfare gegründet. Hatten Sie jemanden, der Sie durch den Anfangsprozess geführt hat?

Anfangs wusste ich nicht, welche Unterstützung es gab, also habe ich die Marke zunächst nur mit dem Wissen gegründet, das ich in der Branche erworben hatte. Später fand ich Unterstützung durch Accelerator-Programme und Inkubatoren, die mir bei der Finanzierung, der Rechtsberatung und der allgemeinen Wachstumsberatung halfen. Nachdem wir dank unserer Auszeichnungen in der Branche Anerkennung gefunden hatten, wurde ich auf weitere Initiativen aufmerksam, die die Entwicklung von Fanfare förderten.

Vor welchen Herausforderungen stehen junge Kreative, wenn sie ihre Arbeit aufnehmen, und wo wird Ihrer Meinung nach am meisten Unterstützung benötigt?

Ich würde sagen, die Finanzierung von Projekten ist eine der größten Herausforderungen. Der Betrieb eines Unternehmens, das auf Produkten basiert, ist extrem teuer und erfordert viele Ressourcen. Wissen, Programme, Möglichkeiten und Initiativen, die einzelnen und Unternehmen zur Verfügung stehen, sind für die meisten für den Start unerlässlich.

Warum haben Sie sich für das BFC-Patrons Programm angemeldet?

Ich habe mich angemeldet, um Unterstützung bei der Entwicklung meines kleinen, nachhaltigen Start-ups zu erhalten. Bis jetzt war es viel allgemeine Geschäftsberatung, aber auch wie man in der wettbewerbsorientierten, sich ständig weiterentwickelnden Modeindustrie erfolgreich sein kann. Außerdem bekomme ich durch das BFC Programm wertvolle Kontakte und Kenntnisse in verschiedenen Bereichen, wodurch meine Marke wächst. Zudem konnte ich mich mit gleichgesinnten Designern vernetzen, denn ein Unternehmen zu gründen kann etwas einsam sein. Ich bin damals von einer schnelllebigen Umgebung in die Selbstständigkeit gegangen, und die Zugehörigkeit zu einem größeren Netzwerk gibt mir Stabilität und Unterstützung. 

Was ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus dem BFC-Patrons Programm mitgenommen haben?

Das Programm hat mich in Bereichen beraten, die nicht zu meinem Fachgebiet gehören, und ich habe gelernt, wie ich mein Unternehmen für künftiges Wachstum aufstellen kann. Da ich ein anderes Geschäftsmodell mit saisonunabhängigen Kollektionen habe, war es schwierig, sich im Großhandel zurechtzufinden, aber die Beratung hat mir geholfen, eine entscheidende Strategie zu entwickeln, die meinem Label zugutekommt.

Was raten Sie aufstrebenden Modedesignern, die einen positiven Wandel in der Modeindustrie herbeiführen wollen?

Sprich mit so vielen anderen Designern und Geschäftsinhabern wie möglich. Es ist von unschätzbarem Wert, sich Rat von Leuten zu holen, die es bereits geschafft haben. Ein Mentor ist in der ersten Zeit sehr wichtig, um uns Kreative auf Kurs zu halten und in die richtige Richtung zu lenken. Die Branche ist äußerst komplex, und es ist oft schwer zu wissen, wo man hingehört, aber diese Unterstützung hilft einem, sich zu konzentrieren. Man sollte auf keinen Fall die Reise alleine antreten!

Biografie:
Esther Knight, die zuvor als Einkäuferin für viele High Street- und Designermarken tätig war, gründete 2018 ihr Label Fanfare, nachdem sie den Bedarf an nachhaltigeren Modepraktiken erkannt hatte. Die Denim-Marke ist bekannt für ihre einzigartigen und modernen Kleidungsstücke, die aus Textilabfällen und recycelten Materialien hergestellt werden, um eine Garderobe zu schaffen, die langlebig ist. Seit Kurzem nimmt Knight am Patronage-Programm des British Fashion Council teil, um ihr nachhaltiges Label weiter auszubauen.

Nicholas Atteshlis, Zalando Designer

Nicholas Atteshlis

Warum hast du dich dazu entschieden, als Mentor bei dem BFC Patrons Programm mitzuwirken?

Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, wie der BFC die besten kreativen Talente aus England fördert und ihnen eine Bühne gibt, um zu glänzen. England ist schon immer dafür bekannt, ein Inkubator zu sein für den kreativen Prozess und die talentierten Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Als Mentor kann ich das Wissen, was ich mir in den letzten 16 Jahren erworben habe, weitergeben und hoffentlich einige wertvolle Erfahrungen und Ansichten vermitteln.

Welche Rolle spielt Mentoring für dich bei deiner täglichen Arbeit?

Als Mentor habe ich die Möglichkeit, mit der nächsten Generation von Designern in Kontakt zu kommen, was von unschätzbarem Wert ist, da es mir Einblicke in unsere gemeinsame Zukunft gibt. Es ist inspirierend, so viele Talente zu sehen, die ihren Leidenschaften und Träumen folgen, vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit und den Umgang mit jungen Konsumenten.

Wie empfindest du die Aufnahme von Newcomern in die Modeindustrie?

Bei Mode, insbesondere bei Luxusmode, beginnt alles mit Kreativität. Man kann das beste Back-End, das beste Marketing und die beste Ausstattung haben, aber der Rest ist sinnlos, wenn man nicht die richtigen Grundlagen für das Produkt hat. Es ist wichtig, dass neue Talente so viel Hilfe wie möglich erhalten, um sich zu entwickeln und den Markt zu verstehen. Wenn ich neue Designer wie Esther von Fanfare treffe, sind sie in der Regel geborene Kreative, die immer innovative Ideen haben, aber Unterstützung bei der Marktkenntnis und dem kommerziellen Erfolg brauchen.

Was sind die am häufigsten nachgefragten Bereiche der Unterstützung, die du mit deinen Mentees besprochen hast?

Jeder Designer ist anders und hat eine andere Herangehensweise an die Branche. Manche wollen sich auf den Direct-to-Consumer-Bereich konzentrieren, andere wollen den klassischen Weg über den Großhandel gehen. Ein gemeinsames Thema - eine unglückliche Folge von Brexit - ist allerdings die Frage, wie man mit Europa Handel treiben kann. Insbesondere die Logistik und die Zölle können die Gewinnspannen in Mitleidenschaft ziehen, vor allem für kleine Marken, die kleine Mengen herstellen und mit ihren Preisen wettbewerbsfähig bleiben müssen.

Welche Werte und Fähigkeiten bringt die nächste Generation deiner Meinung nach mit?

Wenn man im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist, hat man einen ganz anderen Blick auf den Kommunikationsstil und das Produkt als die meisten Designer von heute. Frühere Generationen hatten eine sehr klare Kommunikationsstrategie, gedruckte Zeitschriften, physische Läden und Modeschauen. Jetzt müssen Marken eine viel klarere Geschichte und DNA haben, um auf dem Markt konkurrieren zu können und sichtbar zu werden.

Was würdest du ehrgeizigen Talenten raten, die einen positiven Wandel in der Modeindustrie bewirken wollen?

Kenne dein Publikum, vertrete einen Standpunkt und sei authentisch. Hab keine Angst, neue Wege zu beschreiten, auch wenn du manchmal hinfällst. Es genügt ein einziger Erfolg, um für Aufsehen zu sorgen. Man sollte versuchen, einen Geschäftspartner mit ergänzenden Fähigkeiten zu finden, weil man einfach nicht alles selbst machen kann. Die Macht von Netzwerken und Beziehungen sollte man auch bedenken. Wir verbringen viel zu viel Zeit hinter unseren Bildschirmen. Ein persönliches Gespräch und Kontakte sind vor allem am Anfang enorm wichtig.

Biografe:
Als Brand Partnerships Lead Zalando Designer ist Nicholas Atteshlis für den Aufbau und die Pflege von Beziehungen innerhalb der Luxusmodebranche verantwortlich. Als Absolvent des London College of Fashion begann Atteshlis seine Karriere im Einkauf bei Question-Air, einem der führenden unabhängigen Concept Stores in London, wo er zehn Jahre lang tätig war, bevor er seine jetzige Rolle bei Zalando übernahm. Seit kurzem unterstützt er als Mentor den British Fashion Council, um aufstrebende Designer zu fördern.