Voreingenommenheiten im Arbeitsalltag abbauen

Dinara, Aleksandra und Irina sensibilisieren mit ihrem Training für unconscious bias, also unbewusste Voreingenommenheit, indem sie offene Gespräche und gegenseitiges Verständnis bei der Arbeit fördern

Diversität & Inklusion
do.BETTER Report Interviews Aleksandra Piwowarek Dinara Rasuleva
Zalando SE do.BETTER Diversitäts- und Inklusionsbericht Irina Nistor

Drei Zalando-Kolleginnen haben UnBias ins Leben gerufen, eine von Mitarbeiter*innen geleiteten Schulung, bei der die Teilnehmenden lernen, wie sie ihre eigenen unbewussten Vorurteile besser erkennen, verstehen und hinterfragen können. Seit der Einführung dieser freiwilligen Schulung im September 2018 haben schon über 600 Kolleg*innen daran teilgenommen, und aktuell werden 15 neue Trainer*innen geschult, um UnBias auch an den Logistikstandorten von Zalando anbieten zu können. Was als kleine Initiative begann, als Idee von drei Kolleginnen im Rahmen der Zalando Hack Week, ist ein eindrucksvoller Beweis für den Einfluss geworden, den jede*r von uns auf Inklusion am Arbeitsplatz und darüber hinaus haben kann.

Dinara, Aleksandra, Irina, was kann man in euren Schulungen lernen?

Irina: Unsere Kernbotschaft ist „Jede*r hegt Vorurteile – das ist menschlich“. Wenn wir das akzeptieren, können wir unsere Gedanken und Verhaltensweisen offen erkunden und in Frage stellen. Wenn wir einander auf diese Art und Weise begegnen, können wir verhindern, dass unsere Vorurteile uns und unsere Arbeitskultur negativ beeinflussen.

Ihr sagt also, Vorurteile sind normal?

Dinara: Ja, und wir müssen dafür sorgen, dass es normal wird, darüber zu sprechen. Mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, führt nur zu defensivem Verhalten und spaltet die Gemüter. Indem wir die “toten Winkel” und Unperfektheiten, die wir selbst und auch alle anderen mitbringen, anerkennen, schaffen wir eine Gesprächsgrundlage. Vor der Teilnahme an unserer Schulung denken manche, dass sie überhaupt keine Vorurteile haben. Und das ist auch immer die erste Fehlwahrnehmung, die wir aufzeigen. Wir haben alle Vorurteile.

Aleksandra: Eben! Das ist nur menschlich. Vorurteile kommen daher, dass unser Gehirn gedankliche Abkürzungen nimmt, kategorisiert und Punkte verbindet, damit wir uns ein Bild von der Situation machen können. Ohne diese Fähigkeit würde unser Gehirn Informationen sehr ineffektiv verarbeiten. Aber wenn die Abkürzungen zu vorgefassten Schlüssen über Menschen führen, müssen wir vorsichtig sein und unsere Urteile in Frage stellen. Deshalb beginnen wir unsere Schulung mit einer Erläuterung der psychologischen Gründe für Voreingenommenheit. Wir betrachten die häufigsten Formen kognitiver Voreingenommenheit im Arbeitsumfeld und sprechen über Mikroaggressionen, indem wir gemeinsame Erfahrungen austauschen und Situationen besprechen. Wir diskutieren auch konkret, wie beispielsweise rassistische oder geschlechtsspezifische Vorurteile durch bestimmte Werbung oder Arten der Kommunikation verstärkt werden können.

Irina: Wir wollten den Aspekt der Aufklärung mit offenem Austausch von Erfahrungen, Tipps und Ressourcen unter Kolleg*innen bei Zalando kombinieren. Am Anfang hatten wir lediglich an das Teilen und Bereitstellen von Ressourcen und Kommunikationsleitfäden, vielleicht auch das Erstellen von an ein paar Plakaten gedacht. 

Wir wollten ein inter­aktives Setting schaffen, in dem Menschen eine Verbin­dung zueinander aufbauen und Empathie füreinander entwickeln können.

Aleksandra Piwowarek

Aber dann habt Ihr stattdessen diese Schulung entwickelt. Warum?

Dinara: Freunde von mir, die in anderen Unternehmen arbeiten, haben mir von Antidiskriminierungs-Workshops erzählt, die sie besucht hatten. Da habe ich mir gedacht, Zalando ist so ein multikulturelles Unternehmen, mit so vielen Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlicher Herkunft – das könnten wir wahrscheinlich auch gebrauchen. Wir haben mit vielen verschiedenen Teams und Abteilungen gesprochen und festgestellt, dass das Interesse an diesem Thema groß ist. Als Kernmitglieder der Diversity Guild von Zalando wollten Irina, Aleks und ich dazu beitragen, eine Kultur gemeinsamer Werte bei Zalando zu fördern.

Aleksandra: Anstatt jedoch einen sehr formellen Workshop und Frontalvortrag zu halten, beschlossen wir, lieber Gespräche zu moderieren und die Teilnehmenden aufzufordern, ihre Erfahrungen mit der Gruppe zu teilen. Wir wollten ein interaktives Setting schaffen, in dem Menschen eine Verbindung zueinander aufbauen und Empathie füreinander entwickeln können. Der Aufklärungsanteil sollte zum Nachdenken anregen und interessant sein.

Und das scheint einen Nerv zu treffen. Eure Schulung ist durch stetige Weiterempfehlung der Teilnehmer*innen sehr schnell populär geworden.

Irina: Bis heute haben bereits 600 Menschen teilgenommen. Aktuell moderieren wir drei bis vier Schulungen pro Monat, neben unserer Vollzeitarbeit in unseren regulären Jobs. Wir kommen gar nicht mehr hinterher, so hoch ist die Nachfrage. Deshalb führen wir gerade eine „Train-the-Trainer“ Runde durch, damit mehr Zalando Mitarbeiter*innen diese Schulung durchführen und auch an anderen Standorte anbieten können, insbesondere in unseren Logistikzentren.

Musstet ihr die Schulung während der Pandemie auf ein virtuelles Format umstellen?

Dinara: Ja, aber wir führen die Schulungen lieber als Präsenzveranstaltung durch. Da ist es leichter, eine Verbindung aufzubauen. Deshalb haben wir zu Beginn der Pandemie überlegt, einfach eine Pause einzulegen, bis wir uns wieder persönlich treffen können. Mittelfristig wurde uns aber klar, dass das eine Weile dauern wird, und gleichzeitig stieg die Nachfrage nach den Schulungen weiter. Also haben wir die Schulung im April angepasst, und es funktioniert besser als erwartet online.

Könnt ihr etwas von dem Feedback mit uns teilen, das ihr von Teilnehmern bekommt?

Dinara: Natürlich. Wir haben uns riesig über das viele konstruktive Feedback gefreut. Teilnehmer*innen haben berichtet, dass das Training für sie ein echtes Aha-Erlebnis war und sie sich danach stärker mit ihren Teamkolleg*innen verbunden gefühlt haben. Häufig wird gesagt, wie interessant es ist, die Geschichten anderer Leute zu hören und wie überraschend, dass die Kolleg*innen ähnliche Situationen erleben.

Aleksandra: Ein Beispiel, das immer wieder vorkommt ist, dass Frauen sich den Kommentar anhören müssen „Warum lächelst du nicht öfter?“. In der Schulung besprechen wir dieses Phänomen dann als Mikroagression, und Leute, denen das noch nicht persönlich widerfahren ist, sind hiervon häufig verwirrt. Sobald wir aber dann fragen, ob jemand im Raum das schon einmal erlebt hat und wie sie sich dabei gefühlt haben, ebbt die Verwirrung rasch ab. Es ist der Austausch von Perspektiven, der diese Schulung so wertvoll macht.

Irina: Einige haben den Kurs sogar zweimal besucht und uns rückgemeldet, dass sie durch die zweite Runde neue Dinge gelernt haben, ihre Fortschritte besser einschätzen und auch neue Themen identifizieren konnten, an denen sie noch arbeiten möchten. Da Vorurteile unbewusst so tief in uns verankert sind, ist deren Wahrnehmung und Bewältigung ein lebenslanger Prozess.

Vielen Dank für das Interview und Eure Arbeit!