Ein inklusiver Arbeitsplatz für gehörlose Mitarbeiter*innen

Coskun und Madeleine sorgen dafür, dass sich alle 2.000 Kolleg*innen in Mönchengladbach inkludiert und verbunden fühlen, auch wenn sie nicht dieselbe Sprache sprechen.

Diversität & Inklusion
Zalando SE do.BETTER Diversity & Inklusionsbericht Coskun Karakus

Madeleine und Coskun, Ihr seid die treibende Kraft hinter der Inklusionsinitiative für gehörlose Mitarbeiter*innen am Logistikstandort Mönchengladbach. Wie begann alles?

Coskun: Ich denke, dass Unternehmen eine soziale Verantwortung tragen, vor allem für die Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung. Man muss auch nach links und rechts schauen und Chancen nutzen, positiven Wandel zu bewirken. Bei Zalando gab es immer schon kulturelle und internationale Vielfalt, mit Mitarbeiter*innen aus rund 130 verschiedenen Ländern. Aber Diversität hat noch viele weitere Dimensionen. Wir suchten zunächst nach Möglichkeiten, mehr Inklusion für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Vor etwa vier Jahren haben wir deshalb mit unserer Rekrutierungsinitiative für gehörlose Menschen begonnen. Aktuell beschäftigen wir 22 gehörlose Mitarbeiter*innen.

 

Zalando SE do.BETTER Diversity & Inklusionsbericht Madeleine Friedrich

Madeleine: Wir sind allen Kandidat*innen gegenüber aufgeschlossen und möchten Menschen aus einem möglichst breit gefächerten Spektrum aus Bewerber*innen einstellen. Deshalb haben wir Karrieretage für Menschen mit Behinderungen organisiert. Es ist unser Ziel, gleiche Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen.

Klingt als würde Inklusion in diesem Fall vor allem bedeuten, die Individualität aller Mitarbeiter*innen zu würdigen?

Madeleine: Genauso ist es. Um so inklusiv wie möglich zu sein, müssen wir besser auf die individuellen Bedürfnisse eingehen. Wir sind absolut bereit, Anpassungen vorzunehmen, damit alle Kolleg*innen ihre Arbeit erledigen können. Und wenn wir nicht wissen, wie wir sie in einer bestimmten Situation am besten unterstützen können, ziehen wir externe Beratung wie den Integrationsfachdienst hinzu.

Coskun: Es ist keine Schande, nicht immer alle Antworten parat zu haben. Wir pflegen einen aktiven Austausch mit Mitarbeiter*innen anderer Unternehmen, um beste Praktiken zu teilen und fortlaufend voneinander zu lernen.

Wir bieten unseren Mitarbeiter*innen auch Unterricht in Gebärden­sprache an. Dabei ermutigen wir insbesondere unsere Führungskräfte zur Teilnahme, damit sie ihr gesamtes Team besser einbeziehen können.

Coskun Karakus

Welche Änderungen habt ihr zur Unterstützung gehörloser Mitarbeiter*innen implementiert?

Madeleine: Um sicherzugehen, dass sie ihre Arbeit effektiv und sicher ausüben können, haben wir einige Unterstützungsmaßnahmen umgesetzt. Beispielsweise haben sie Telefone mit Vibrationsalarm zur Warnung, falls ein Feuer ausbrechen sollte. Außerdem sind in unserem gesamten Logistikzentrum Bildschirme angebracht, auf denen aktuelle Meldungen, Informationen und Anleitungsvideos gezeigt werden. Zudem nehmen Dolmetscher*innen an unseren Teamsitzungen teil, damit Gehörlose nichts verpassen.

Coskun: Wir bieten unseren Mitarbeiter*innen auch Unterricht in Gebärdensprache an. Dabei ermutigen wir insbesondere unsere Führungskräfte zur Teilnahme, damit sie ihr gesamtes Team besser einbeziehen können. Ich bin der Meinung, dass alle im Unternehmen davon profitieren, wenn Führungskräfte Inklusion ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen. Wir möchten auch, dass alle unsere Mitarbeiter*innen die Chance erhalten, bei Zalando zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass gehörlose Mitarbeiter*innen an unserem Mentoring-Programm teilnehmen können, indem wir den Prozess inklusiver gestaltet und Dolmetscher*innen hinzugezogen haben.

Habt Ihr Veränderungen in der Arbeitskultur bemerkt, seitdem mehr Menschen mit Behinderung bei euch arbeiten?

Coskun: Definitiv. Wir erleben, dass Teamdiversität und Inklusion von Menschen mit Behinderung einen massiven kulturellen Nutzen für Zalando mit sich bringen, der sich langfristig auch in Gewinnen für das Unternehmen niederschlägt - auch wenn diese vielleicht nicht sofort messbar oder sichtbar sind. Mitarbeiter*innen nehmen einander bewusster wahr und unterstützen sich gegenseitig mehr. Ich vertrete die Auffassung, dass eine vielfältige Belegschaft ein Unternehmen menschlicher und bodenständiger macht.

Madeleine: Obwohl sie nicht, wie unsere hörenden Kolleg*innen, die gesprochene Sprache verwenden, sind unsere gehörlosen Kolleg*innen nicht still. Sie verschaffen sich auf unterschiedliche Weise Gehör und machen sich bemerkbar. Das hat uns alle für neue Wege des Umgangs miteinander sensibilisiert. Wir können alle voneinander lernen, neue Perspektiven einzunehmen.

Coskun: Wir sehen, dass unsere hörenden Kolleg*innen wirklich lernen möchten, wie man mit Kolleg*innen kommuniziert, die gehörlos oder schwerhörig sind. Sie entwickeln ihre eigene Sprache, nehmen einen Notizblock mit in die Mittagspause, um hin und her zu schreiben und verwenden allgemein verständliche Gesten. Ich habe auch schon Kolleg*innen erlebt, die auf YouTube nachschauen, wie man ein bestimmtes Wort in Gebärdensprache sagt. Auf diese Weise sind viele Freundschaften zwischen gehörlosen und hörenden Kolleg*innen entstanden, die weit über reine Arbeitsbeziehungen hinausgehen. Es ist unglaublich schön, das zu sehen.

Welche Hürden müssen noch überwunden werden, um komplette Inklusion für alle zu erreichen?

Coskun: Man darf nicht vergessen, dass man die Behinderung einer Person nicht zwingend auf den ersten Blick von außen erkennen kann. An unseren Willkommenstagen weisen wir unsere Neuzugänge immer darauf hin, dass einige Kolleg*innen sie nicht hören können und wie sie stattdessen mit ihnen kommunizieren können.

Madeleine: Ich denke, es geht letztlich darum, alle Mitglieder des Unternehmens zu informieren und einzubinden. Einige hörende Mitarbeiter*innen sind nach wie vor zögerlich im Umgang mit gehörlosen Kolleg*innen, weil sie nicht wissen, wie sie mit ihnen kommunizieren sollen. Wir planen noch viel mehr Workshops, um das Bewusstsein füreinander zu schärfen, gegenseitiges Verständnis aufzubauen und eine Kultur zu fördern, in der es in Ordnung ist, Fragen zu stellen. Wir haben erfolgreich von Gehörlosen geleitete Workshops organisiert, bei denen hörende Mitarbeiter*innen gelernt haben, was für die Kommunikation miteinander wichtig ist. Hierzu gehört beispielsweise das Herstellen von Augenkontakt und eine langsame und deutliche Aussprache, damit gehörlose Kolleg*innen von den Lippen lesen können. Die Pandemie hat diese Präsenzveranstaltungen fürs Erste auf Eis gelegt, aber wir werden das wieder aufnehmen. Wenn man keine Angst mehr hat, sich auch einmal ein wenig zum Narren zu machen, baut das schnell die Kommunikationsbarrieren ab.


2. Oktober 2020
Diversität & Inklusion

do.BETTER - Diversitäts- & Inklusionsbericht 2020

Für eine Zukunft, in der alle willkommen sind.